„Vom Tiergarten aus gelangt man über das Gestänge zur Stadt und zwar zuerst zur staatlichen Mühle. Machtvoll stauen sich die Wasser vor dem Wehr. Ein Teil drängt mit verhaltener Kraft der Mühle zu; der andere stürzt schäumend und brausend in das Flussbett hinab. Im nahen Lustgarten hat das anhaltische Volk ein schönes Reiterstandbild errichtet, das den Herzog Friedrich I. darstellt, wie er bei Veaumont als Erbprinz das ins Gefecht ziehende Anhaltische Infanterie-Regiment begrüßte. Den Umbau ziert ein Fries. Zwei weibliche Wesen teilen nach links und rechts Früchte aus. Von beiden Seiten nahen Gestalten, um Gaben zu nehmen oder zu bringen: links eine Witwe, eine Waise, ein Krüppel, die Kirche, die Schule und die Künste, rechts der Gartenbau und die Landwirtschaft, Forstwesen und Jagd, der Bergbau, der Schiffs= und Maschinenbau. Der Lustgarten stößt unmittelbar an das Schloß. Der älteste Teil dieses Baues ist der W=Flügel, an dessen Eingange zwei auf dem Mägdesprunge gegossene Bären Wacht halten. Um für den Mittelbau ein Treppenhaus zu gewinnen, wurde der prächtige Vorbau ausgeführt, dessen Giebelspitze mit dem vergoldeten Standbild eines betenden Knaben gekrönt ist. Etwas tiefer hängt in einer Nische ein vergoldeter Ring, die Nachbildung des im Schlosse sorgsam aufbewahrten Krötenrings. Mit dem Krötenringe hat es nach der Sage folgende Bewandtnis:

Die Sage vom Krötenring (ehemaliges Stadtschloß)

Deutsch:

Vor alten Zeiten lebte in Dessau eine gütige Fürstin. Sie erwies Wohltaten mit freigiebiger Hand und erbarmte sich auch der geringsten Tiere. Einst unternahm sie einen Spaziergang nach den Mulden=Auen. Da traf sie eine Kröte, welche halb verhungert und dem Tode nah war. Mild neigte sie sich zu ihr nieder und streute ihr Brotkrumen. Die Kröte erholte sich bald. Die Fürstin aber kehrte nach dem Schlosse zurück. – In der Nacht erschien plötzlich an ihrem Lager eine Jungfrau und bat flehentlich, die Fürstin möge ihr folgen, um ein Werk der Barmherzigkeit zu tun. Die Fürstin erhob sich und folgte der Jungfrau durch die dunkle stürmische Nacht. Es ging durch Wald und Wiese zu einem kleinen Fischerhause. Hier lag die Frau des Fischers auf dem Schmerzenslager ohne Hilfe. Die Fürstin stand ihr liebreich bei. Als die Gefahr vorüber war, wurde sie von der Jungfrau nach dem Schlosse zurückgeführt. „habe Dank!“ sagte die Jungfrau zur Fürstin. „Du hast mich von schwerer Pein erlöst. Ich bin die Ahnfrau der Fürsten von Anhalt. Als das Licht des Christentums in unsere Gaue drang, wehrte ich ihm. Zur Strafe mußte ich in verschiedener Gestalt auf der Erde wallen (wandeln), bis eine Fürstin mir Brot reichte und auf meine Bitte ein Werk der Barmherzigkeit tat. Beides ist durch dich geschehen. Aus Dankbarkeit schenke ich dir diesen Ring. Hüte ihn wohl! Solange das fürstliche Haus ihn verwahrt, wird sein Stamm nicht erlöschen.“


Der Nixensumpf bei Großkühnau

Dicht bei Großkühnau liegt ein Tümpel, der Nixensumpf. Von ihm erzählt man sich folgende Sage:

Ein Schäfer hatte schon viel von Nixen gehört und wünschte, ihnen zu begegnen. Eines Tages lagerte er im Schatten eines Baumes am Nixensumpf, als sich das Wasser bewegte und ihm ein Nixenmännchen entstieg. Schnell ergriff der Schäfer seinen Stecken und schlug im Übermute nach dem Nix, verlachte und verspottete ihn, bis der Nix mit einer Verwünschung wieder in dem tiefen Wasser verschwand. Damit hatte der Schäfer den Zorn des ganzen Nixenvolkes herausgefordert. Sobald er einen Schluck Wasser trank, empfand er Übelkeit und Schmerzen, und auf allen seinen Wegen erschienen ihm die Zürnenden als seine Verfolger. Der Schäfer verließ endlich Kühnau und nahm Dienst in einem entfernten Dorfe. Jahrelang geschah ihm nichts. Er meinte schon, alles sei vergessen, und dachte kaum noch an die Nixen. Da wanderte er eines Sonntags nach Kühnau. Bei der Rückkehr begleitete ihn einer seiner Verwandten ein Stück. Bald mußten beide vor einem heftigen Gewitter im Walde Schutz suchen. Als das Unwetter vorüber war, empfand der Schäfer einen brennenden Durst. Vergeblich sahen sie sich nach einem Quell oder Bach um. Da erblickte der lechzende Schäfer in einem Loche, welches von dem Hufe eines Pferdes in die Erde gedrückt war, klares Wasser. Sofort warf er sich nieder. Kaum hatte er das Wasser berührt, die heißen Lippen zu kühlen, als sich ein furchtbares Getöse erhob. Er fühlte sich von starker Hand festgehalten und vermochte nicht, den Kopf emporzuheben. Sein Gefährte erschrak und eilte zum Dorfe, um mit vielen Leuten den grausen Ort wieder aufzusuchen. Man fand den Schäfer tot am Boden liegen. Keine Spur von Gewalttat war an ihm zu bemerken. Die kleine Pfütze stand ruhig wie ein klarer Spiegel.

Vom Grafen Waldersee

Da, wo die Pelze in die Mulde mündet, lag an ihrer S-Seite einst das Schloß Waldeser, aber, wie man heute sagt, Waldersee. Die Wasserläufe schützten es zwar vor feindlichen Überfällen; aber dieselben Fluten brachten ihm den Untergang. Einige Wälle lassen noch erkennen, wo es gelegen hat. Besser als das Schloß hat sich eine Sage im Volke erhalten:

                                                *

Des Grafen Waldersee liebliche Tochter feiert fröhliche Hochzeit mit dem herrlichen Ritter Udo von Wildeberg. Unter den geladenen Gästen sind der Ritter von Wallwitz, von Reina, von Gottenberg und Sieglitz von Leuner. Nach dem Turniere sitzen die Herren und Frauen beim Mahle. Heller Jubel ertönt in den weiten Räumen des Schlosses. Da stößt der Turmwart ins Horn und meldet den Feind vor dem Tore. Augenblicklich greifen die Ritter zu Schwert und Rüstung und eilen hinaus. Der wilde Graf Kühnau naht in feindlicher Absicht und will durch einen Überfall die Burg erstürmen. Schon ist er mit seiner Schar in den Burghof eingedrungen. Denn die Knechte waren mehr bedacht gewesen, die Hochzeit ihrer Herrin zu feiern, als für die Sicherheit zu wachen. Mit Ungestüm stürzen sich die ritterlichen Gäste auf die Feinde, und es gelingt, diese aus der Burg zu vertreiben. Graf Kühnau flüchtet mit den Seinen in den Wald. Ihm nach stürzen Udo und die Kampfgenossen. Viele von den Raubgesellen werden eingeholt und erschlagen. Bei der Verfolgung aber haben sich die tapferen Recken in den Wald verloren, und erst bei Tagesgrauen kehren sie zurück. Ihr frohes Siegesgefühl soll sich bald in herben Schmerz verkehren. Als sie sich der Burg Waldersee nähern, erkennen sie mit Schrecken, das dieselbe in Flammen steht. Graf Kühnau, der sich im Dickicht versteckt gehalten, war mit wenigen Spießgesellen in die von Mannen entblößte Burg eingedrungen, hatte sie in Brand gesteckt und den greisen Waldersee und dessen blühende Tochter niedergestochen, so finden die Zurückkehrenden nichts als Trümmer und Leichen. Zwar gelingt es dem Ritter Wildeberg, die Frevler zu erreichen, sie zu fangen und im Walde aufknüpfen zu lassen; aber sein teures Weib und ihr Vater sind dahin. Die Tiefbetrauerte nahte sich dem verlassenen Gatten oft als Lichtgestalt und vertröstete ihn auf die Stunde, da er mit ihr ewig vereint sein würde. Auch den Bewohnern der Umgegend erschien sie noch lange als die irrende Jungfrau von Waldersee.



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